Aktuelles zur Kindergrundsicherung: Referentenentwurf ist eine verpasste Chance!

Das Bundeskabinett hat zwischenzeitlich die Kindergrundsicherung verabschiedet. Zu unserem großen Bedauern bleibt der Entwurf deutlich hinter den sachlichen Notwendigkeiten zurück. So kann Kinderarmut nicht wirksam bekämpft werden!

Wir bei MACH DICH STARK haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass wir eine Vorliebe für Kunst- und Trickfilme haben (hier ggf. nochmal auf Kurzfilm und ITFS). Müssten wir das politische Treiben zur Einführung der Kindergrundsicherung in ein cineastisches Genre einordnen, fiele unsere Wahl wohl irgendwo zwischen Tragödie und Katastrophenfilm. Denn das politische Ringen um die Kindergrundsicherung befindet sich in der heißen Phase und die Protagonisten bringen leider weniger sachpolitische Glanzleistungen auf das Parkett, sondern glänzen vielmehr mit parteipolitisch motivierter Zuspitzung und Profilierung zum Nachteil derjenigen Betroffenen, die sich Hoffnungen auf eine spürbare Vereinfachung und deutliche Verbesserung der kinder- und familienpolitischen Leistungen gemacht haben.

Zum Stand des Verfahrens:

Ende August einigte sich die Koalition im Zuge der Haushaltsverhandlungen auf für die Reform zusätzliche -aber im gesamten deutlich zu niedrige- Mittel in Höhe von 2,4 Milliarden Euro ab 2025; ursprünglich hatte Familienministerin Paus mit 12 Milliarden Euro kalkuliert. Die Eckpunkte zur Kindergrundsicherung wurden zudem in einem koalitionären Einigungspapier festgehalten. Wenige Tage später wurde der erste Referentenentwurf zur Kindergrundsicherung veröffentlicht und Verbände und Institutionen um Stellungnahme binnen einer Woche gebeten. Nachdem der Entwurf erst im zweiten Anlauf und nach nochmaligen Anpassungen Ende September im Bundeskabinett verabschiedet wurde, meldete sich jüngst die Bundestagsfraktion der FDP zu Wort. Sie wolle die Kindergrundsicherung im Bundestag nur mittragen, wenn ihre vielen offenen Fragen geklärt seien und die Kindergrundsicherung in ihrer Konzeption mehr Arbeitsanreize vorsehe. Bevor die geneigte Leserin ins Grübeln gerät, noch hat die FDP mit den Arbeitsanreizen wohl nur die Eltern und nicht die Kinder im Blick. Die Zustimmung der FDP zur KGS ist im Rahmen der parlamentarischen Mehrheiten der Regierungskoalition notwendig.

Zum konzeptionellen Stand:

So sehr insbesondere die Sozialverbände die Reform grundsätzlich begrüßen, so groß ist die Enttäuschung und Skepsis über wesentliche Punkte in dem Entwurf. Die Kindergrundsicherung bleibt in dieser Form weit hinter den sachlichen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Erwartungen zurück, die mit einer wirksamen Bekämpfung von Kinderarmut verbunden sind. Entgegen der Ankündigungen sieht der Entwurf beispielsweise vorerst nicht die systematische Neuberechnung des Existenzminimums vor, sondern lediglich eine Erneuerung der Verteilungsschlüssels. Auch sollen nun doch nicht alle Kinder und Jugendlichen von der Kindergrundsicherung profitieren, Kinder aus dem AsylbLG und weitere Gruppen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit sind im Entwurf von der KGS ausgeschlossen. Auch ist die ersatzlose Streichung des bisherigen Sofortzuschlags von monatlich 20 Euro pro Kind für diese Gruppe vorgesehen. Damit sind sie die ersten Verlierer dessen was von der Kindergrundsicherung übrig bleibt. Der spezifischen Situation von Careleaver*innen wird mit dem Gesetzentwurf trotz wiederholter Hinweise auch des DCV nicht Rechnung getragen. Wir sehen auch kritisch, dass das Versprechen auf Leistungen unter einem Dach und aus einer Hand nicht eingelöst wird, wenn zukünftig nicht mit einem Antrag beim Familienservice alle Leistungen geltend gemacht werden können. Sonder- und Mehrbedarfen sowie ein Teil der Leistungen für Bildung und Teilhabe (mit Ausnahme des Teilhabeleistungen und des Schulbedarfes) sollen bei anderen Stelle beantragt werden müssen. Im Ergebnis wird das dazu führen, dass weniger Menschen ihren Rechtsanspruch einfordern. Notwendig ist, dass alle Leistungen für Kinder beim Familienservice als zentrale Anlaufstelle  angemeldet werden können (z. B. durch Antragsbündelung und Weiterleitung an die zuständige Behörde).

Aktuell müssen wir feststellen, dass das eigentliche Ziel der KGS Kinder und Jugendliche vor einem Aufwachsen in akutem finanziellen Mangel zu schützen, ihnen gleichsam mehr Bildung und Teilhabe zu ermöglichen und damit langfristig Armut zu verhindern, aus dem Blick geraten ist. Wir fordern und wollen uns im Rahmen von MDS dafür einsetzen, dass dieser Fokus im weiteren Verfahren wieder geschärft wird.

Ansprechperson

Simon Näckel

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