Corona und der Übergang in eine Ausbildung

Am  1. September haben wieder Tausende junger Menschen eine Ausbildung begonnen. Sie haben damit einen wichtigen Meilenstein hin zu einem eigenständigen Leben erreicht: Eine qualifizierte Berufsausbildung gilt nach wie vor als ein wesentlicher Baustein im Schutz vor Armutsgefährdung.

Nachdem für viele der angehenden Azubis bereits der Abschluss ihrer Schullaufbahn Corona-bedingt anders verlief als geplant, gestaltet sich auch die Suche nach und der Einstieg in eine Ausbildung als herausfordernd und angespannt. Je nach Phase sind die Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor jeweils spezifische Probleme gestellt. Dieser Artikel beleuchtet anhand einer repräsentativen Befragung der Bertelsmann-Stiftung den Übergang und Einstieg in eine Berufsausbildung und stellt ein mögliches Lösungsmodell für fehlende Ausbildungsstellen vor.

Auswirkungen von Corona deutlich erkennbar

Einen guten Überblick über die Entwicklungen auf dem Ausbildungsstellenmarkt liefern die Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Datenlage der laufenden Arbeitsmarktberichterstattung der BA lässt bisher zwar noch keine endgültigen Rückschlüsse auf die Auswirkungen von Corona zu, wohl aber eine Momentaufnahme. Ein vorläufig abschließendes Bild wird sich mit Veröffentlichung der Daten im Oktober ergeben. Vergleicht man zum jetzigen Zeitpunkt die Daten für Baden-Württemberg mit denen aus dem Vorjahr, so wurden bisher von Betrieben insgesamt 5.500 weniger Stellen gemeldet. Gleichzeitig ist auch die Zahl der gemeldeten Bewerber*innen aktuell um fast 4.000 Personen geringer als im Vorjahresmonat und liegt im August 2020 bei rund 58.000. Gegenwärtig sind mehr als 12.500 Bewerber*innen unversorgt und haben auch noch keine Alternative zu einer Ausbildung. Das sind im Vergleich zum Vorjahresmonat rund 1.000 Personen oder 9,2 Prozent mehr. Deutlich stärker und häufiger betroffen sind Bewerber*innen ohne formalen Schulabschluss (34,1 % mehr) oder mit Hauptschulabschluss (14,3 % mehr), während sich bei Bewerber*innen mit Abitur die Versorgungslage anhand der aktuellen Zahlen eher unverändert, tendenziell sogar leicht verbessert darstellt.

Studie der Bertelsmann-Stiftung nimmt Perspektive der Bewerber*innen ein

Die Ergebnisse einer aktuell veröffentlichten repräsentativen Befragung der Bertelsmann-Stiftung geben interessante Einblicke in die Perspektiven Jugendlicher und junger Erwachsener auf den Einstieg in eine berufliche Ausbildung. Bereichernd ist die Befragung auch, weil bisher vor allem die Einschätzung und die Perspektive der Unternehmen und Betriebe im Rahmen von Umfragen und Ad-hoc-Studien erfasst wurden, nicht aber die der potentiell Auszubildenden. Das Bestreben der Forschungsgruppe war, diese Lücke zu füllen. Über eine repräsentative Stichprobe wurden 1.700 Menschen zwischen 14 und 20 Jahren befragt; davon 1.550 über eine Online-Befragung und weitere 150 Hauptschüler*innen in einem standardisierten Face-to-Face-Interview. Im Ergebnis stellt die Studie zunächst grundsätzlich fest, dass im Übergang von Schule ins Berufsleben die Attraktivität eines Ausbildungsplatzes sehr hoch ist. Für drei von vier Jugendlichen ist eine Ausbildung von gesteigertem Interesse. Insgesamt streben 43 Prozent der Befragten mit Sicherheit eine Ausbildung an, 35 Prozent ziehen es mindestens in Erwägung, haben sich aber noch nicht entschieden.

Deutlich wird allerdings, dass die Corona-Pandemie und ihre sozioökonomischen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch auf ihre individuellen Zukunftsperspektiven im Übergang von Schule in Beruf übertragen wird. Insgesamt schätzt ein Großteil von etwa zwei Drittel der Befragten die Ausbildungschancen durch Corona als deutlich schlechter ein. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Chancen auf ein Studium lediglich von etwas weniger als einem Viertel als durch Corona negativ beeinflusst angesehen werden. Nur sind da natürlich auch die formalen Zugangshürden höher. Folgerichtig ist auch die Verunsicherung bei denjenigen mit formal niedrigerem Schulabschluss am stärksten ausgeprägt, obwohl es eigentlich in den zurückliegenden Jahren insgesamt einen Überhang an angebotenen Stellen gab. Aber auch hier stoßen die Befragungsleitenden auf eine interessante Erkenntnis: Fast die Hälfte der Jugendlichen mit formal niedrigerer Schulbildung ist der Auffassung, dass es zu wenige Ausbildungsplätze gebe. Unter Bezug auf die Daten der BA spiegelt sich hier auch, dass Bewerber*innen ohne Abschluss oder mit maximal einem Hauptschulabschluss deutlich häufiger unversorgt und ohne Alternative zur Ausbildung sind. Fast die Hälfte der Befragten gibt an, sich bei erfolgloser Suche auch ohne Ausbildung eine Stelle suchen zu wollen. Dies gibt Anlass zur Beunruhigung, ist eine Berufsausbildung doch ein wesentlicher Faktor, um sich gegen spätere Armutsgefährdung zu schützen. Unter anderem an dieser Stelle sollte eine präventive Armutsvermeidungspolitik ansetzen! Jedoch vermissen die Befragten insgesamt die politische Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche. Die Hälfte nimmt keine, ein weiteres knappes Drittel nur unzureichendes politisches Engagement wahr.

Ist eine Ausbildungsplatzgarantie die Lösung?

Im Ergebnis sprechen sich die Projektleitenden für eine Ausbildungsgarantie aus, wie sie beispielsweise in Österreich bereits existiert. Dies bedeutet, dass vom Staat ein Ausbildungsplatz bereitgestellt wird, wenn auf betrieblichem Weg kein Ausbildungsplatz gefunden werden kann. Jugendliche im Übergang von Schule in den Beruf können so die teilweise starken Unsicherheiten beim Weg ins Berufslebens genommen und zu wenig Ausbildungsplätze kompensiert werden. Generell gehen in der österreichischen Variante die Bemühungen um Vermittlung in eine betriebliche Ausbildung auch nach Beginn einer institutionell geförderten Ausbildung weiter, sodass ein Wechsel in die Betriebe weiterhin gut möglich ist.

Was denkt ihr? Ist eine Ausbildungsplatzgarantie eine gute Idee, die politisch umgesetzt werden sollte? Diskutiert mit uns unter diesem Artikel. Wir freuen uns auf Eure Einschätzung.

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